Umweltbilanz Transportwege
Das Kriterium hat zum Ziel, die Umweltauswirkungen des Beschaffungsgegenstands, welche aus den Transportwegen hervorgehen, zu bewerten. Ein Angebot mit einer geringen Umweltauswirkung wird aus Sicht der Nachhaltigkeit als vorteilhaft erachtet.
Geforderte Nachweise
Kriterien | Geforderter Nachweis | |
---|---|---|
Z1 | Preis |
Rechtsgültig unterschriebenes Preisblatt / Leistungsverzeichnis |
Z2 | Umweltbilanz Transportwege |
Seitens Anbieter werden die resultierenden baustellenexternen Transporte angegeben. Das Kriterium hat zum Ziel, die Umweltauswirkungen des Beschaffungsgegenstands, welche aus den Transportwegen hervorgehen, zu bewerten. Ein Angebot mit einer geringen Umweltauswirkung wird aus Sicht der Nachhaltigkeit als vorteilhaft erachtet. |
Z3 | weitere Qualitätskriterien |
... |
Abfrage
Diese Bewertungsmethode ist mit einer erhöhten Komplexität verbunden. Dabei wird der eigentliche ökologische Fussabdruck der Transportleistung quantifiziert. Dies wird beispielsweise auf Basis des Transportmittels, der Transportdistanz und den erforderlichen Fahrten ermittelt.
Es gibt unterschiedliche Methoden zur Quantifizierung des ökologischen Fussabdrucks. Eine weit verbreitete Methodik basiert auf den sogenannten CO2 Äquivalenten, welche die unterschiedliche Klimawirkung der Treibhausgase berücksichtigt. Die Methodik stammt aus der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und basiert auf dem "Global Warmin Potential" über 100 Jahre.
Eine weitere mögliche Berechnungsmethode ist die "Methode der ökologischen Knappheit", welche sogenannte Umweltbelastungspunkte (kurz "UBP" verwendet. Für Details zur Methode siehe auch BAFU «Ökofaktoren Schweiz 2021 gemäss der Methode der ökologischen Knappheit», Bern 2021.
Ein Bauvorhaben ist in der Regel mit einer Vielzahl von Transporten verbunden. Es ist ratsam, in einem ersten Schritt die aus Sicht der Umweltauswirkungen massgebenden Transporte zu bestimmen. Ausschlaggebend kann hierbei die Quantität eines Baustoffs sein (z.B. eine sehr grosse Menge) die Art des Transportes (z.B. wenn diese mit besonders hohen Umweltwirkungen verbunden ist) oder die zu erwartenden Bezugsquellen (wenn diese sehr unterschiedlich sein könnten, z.B. Granit aus der Schweiz oder aus China).
Um die Abfrage des Kriteriums einfach zu gestalten, sollten den Anbietenden ein entsprechende Instrument zur Berechnung der Ökobilanz zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es, dass die Vergleichbarkeit der Berechnungen gewährleistet ist. Daher sollten die abzufragenden Positionen sowie die zugrundeliegenden Umweltbilanzdaten im Vorfeld definiert sein.
Unterstützung bietet beispielsweise das Tool der Suisse Infra an: ECO2nstruct – Infra Suisse. Darin können die CO2-Äquivalente sowie die Umweltbelastungspunkte verschiedener Transportmittel, Baumaschinen oder auch Baustoffe ermittelt werden. Das Tool greift dabei auf entsprechende Datensätze etablierter Datenbanken zurück.
Alternativ können seitens ausschreibender Stelle auch vorgefertigte Excel-Tabellen mitgeliefert werden, in welchen die Anbieter ihre Informationen eintragen. Ein Beispiel ist hier dargestellt: Beispiel Abfragetabelle. Diese Vorlage beinhaltet eine Referenztabelle, welche die Excel-Daten von Mobitool enthält und auf diese zurückgreift. Mobitool ist eine Schweizer Plattform, welche Umweltdaten zur Mobilität bereitstellt, unterhält und aktualisiert. Die Daten basieren auf den Ecoinvent Datenbanken.
Bewertung
Die Bewertung kann formelbasiert erfolgen. Das Angebot mit der kleinsten Anzahl an Indikatorpunkten (z.B. CO2-Aq oder Umweltbelastungspunkten) erhält die maximale Anzahl an Bewertungspunkten, ab einer gewissen Anzahl an Indikatorpunkten (z.B. bestes Angebot x 1.5, definiert durch den Streckungsfaktor) erhält das Angebot die Minimalzahl an Bewertungspunkten. Dazwischen werden die Bewertungspunkte mittels Interpolation ermittelt.
Als Beispiel für die Bewertung mittels Umweltbelastungspunkten kann die nachfolgende Formel zur Berechnung der Bewertung verwendet werden (lineare Interpolation):
P_Anbieter = P_min: P_min + P_max * (UBP_best + UBP_delta - UBP_Anbieter) / UBP_delta
wenn P_Anbieter < P_min: P_anbieter = Pmin (die Minimalpunktzahl wird auf P_min, i.d.R. null, beschränkt)
P_Anbieter: Punktezahl des zu bewertenden Angebots
UBP_Anbieter: Anzahl UBP des zu bewertenden Angebots
UBP_best: Anzahl UBP des "besten" Angebots bzgl. UBP (Angebot mit der tiefsten Anzahl UBP)
UBP_delta: UBP_best *Streckungsfaktor
Streckungsfaktor= definiert die Bandbreite i.d.R. 50%-100%
P_min: minimale Punktzahl (i.d.R. 0)
P_max: maximal erreichbare Punktzahl (z.B. 5)
Gewichtung im Gesamtkontext
Bei der Wahl der relativen Gewichtung der Zuschlagskriterien ist unter anderem die Schwierigkeit des Vorhabens massgebend.
Gemäss KBOB (Leitfaden zur Beschaffung von Werkleistungen – Anhang 1, Ziffer 2.2) sind bei Werkleistungen mit vergleichsweise einfachen Anforderungen die direkt preisbezogenen Kriterien höher zu gewichten, während mit zunehmender Komplexität der Leistungen die Qualitätskriterien an Bedeutung gewinnen und höher zu gewichten sind. Insbesondere bei Aufgaben mit noch vielen offenen Randbedingungen rechtfertigt es sich, den Preis tiefer zu gewichten und primär auf die Qualität abzustellen.
Die nachfolgende Tabelle zeigt eine empfohlene Bandbreite in der Wahl der Gewichtungsfaktoren auf.
Kriterien | Gewichtung | Note | N x G = P | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Z1 | Angebotspreis | 60 - 80% | 40 - 60% | 30 - 40% | [...] | [...] |
Z2 | Nachhaltigkeit | |||||
Z2.1 | Umweltbilanz Transportwege | 2 - 5% | 4 - 8% | 7 - 12% | [...] | [...] |
Z3 | weitere Qualitätskriterien | 38% | 56% | 63% | [...] | [...] |
Total | 100% | [...] | [...] |
Erläuterungen
1. Hintergrund
Die Zufuhr sowie die Abfuhr von Baustoffen ist mit baustellenexternen Transporten verbunden. Lange Transportwege haben eine Vielzahl von Umweltauswirkungen. Transporte benötigen Energie, verursachen Emissionen und belasten das Verkehrsnetz. Bei den Transporten sind viele externe Kosten an Gesellschaft und Umwelt, welche beispielsweise durch die Treibhausgasemissionen verursacht werden, nicht in den anfallenden Kosten eingepreist. Kurze Transportwege sowie die Verwendung umweltschonender Transportmittel sind aus Umweltsicht für die Ökobilanz des Beschaffungsgegenstands begünstigend.
2. Herausforderungen, Hinweise zur Anwendung
- Kriterien können bezüglich Nachhaltigkeit in Konflikt zu einander stehen. Der Bezug von Recyclingbaustoffen (anstatt konventioneller Baustoffe) kann zum Beispiel längere Transportwege verursachen. Der Netto-Nutzen aus Umweltsicht sollte diesbezüglich berücksichtigt werden.
- Die Einhaltung der bewerteten Angaben zu einem bestimmten Kriterium muss während der Ausführung gewährleistet sein. Dies kann mit hohem Aufwand verbunden sein und dadurch Auswirkungen auf die Kosten haben. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sind ggf. vorgängig (zum Zeitpunkt der Submission) Konventionalstrafen bei Nichteinhaltung festzulegen.
- Ein Bauvorhaben ist in der Regel mit einer Vielzahl von Transporten verbunden. Es ist ratsam, in einem ersten Schritt die aus Sicht der Umweltauswirkungen massgebenden Transporte zu bestimmen. Ausschlaggebend kann hierbei die Quantität eines Baustoffs sein (z.B. eine sehr grosse Menge) die Art des Transportes (z.B. wenn diese mit besonders hohen Umweltwirkungen verbunden ist) oder die zu erwartenden Bezugsquellen (wenn diese sehr unterschiedlich sein könnten, z.B. Granit aus der Schweiz oder aus China).
- Es ist im Zweifelsfall zu spezifizieren, was als Bezugsquelle des Baustoffs gelten soll. Bei Baustoffen, welche aufgrund ihrer Herstellung eine komplexe Lieferkette durchlaufen (z.B. PVC Rohr), ist eine sinnvolle Definition der Bezugsquelle schwer. Bei Primärbaustoffen wie Kies kann beispielsweise die Kiesgrube als Bezugsort definiert werden.
Die Berücksichtigung der Emissionen bei der Auftragsvergabe wird derzeit in ersten Pilotprojekten angewendet. Das Projekt 4-Spurausbau Abschnitt Hardwald des Tiefbauamts des Kantons Zürich (Ausschreibung 2022) umfasst den Ausbau der bestehenden Hauptstrasse zu einer richtungsgetrennten 4-spurigen Hochleistungsstrasse zwischen Bülach und Glattfelden. Die Ausschreibung der Hauptarbeiten wurde hierbei unter explizitem Einbezug einer Bewertung der Umweltwirkung durchgeführt. Diese wurde anhand von Umweltbelastungspunkten (Methode der ökologischen Knappheit) ermittelt und verglichen. Die Emissionen von Baumaschinen und Transportfahrzeugen wurden darin abgeschätzt. Seitens Anbieter wurden die zu verwendenden Maschinentypen und die im Projekt gesamthaft vorgesehenen Transportdistanzen sowie Maschinenstunden angegeben. Die Einhaltung soll über eine Regelung von Konventionalstrafen bei Abweichungen gegenüber dem Angebot gewährleistet werden.
3. Sicherstellung Umsetzung im Bau
Zur Gewährleistung der Einhaltung kann es sinnvoll sein, vorgängig eine Konventionalstrafe im Falle der Nichteinhaltung zu definieren. Diese kann beispielsweise als Pauschale oder Zuschlag auf die entsprechenden Einheitspreise festgelegt werden.
Als Beispiel sind die Lieferungen eines Baustoffs während der Ausführung tabellarisch (z.B. monatlich) darzustellen. Folgende Attribute müssen ersichtlich sein:
- Datum der Lieferung
- Kubatur/Tonnage
- Bezugsort oder Deponie
- Verweis auf Liefer-/Abnahmeschein
Die ausgewiesenen Transportdistanzen sind mit den Angaben aus der Submission zu vergleichen. Bei Abweichungen ist zu klären, ob diese zulässig oder unzulässig sind. Zulässige Gründe könnten beispielsweise eine Projektänderung sein.
4. Quellennachweis zum Kriterium
- BAFU BUNDESAMT FÜR UMWELT, Leitartikel zur Kreislaufwirtschaft, https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wirtschaft-konsum/fachinformationen/kreislaufwirtschaft.html, . Abrufdatum 12.05.2023,
- BAFU BUNDESAMT FÜR UMWELT, Ökofaktoren Schweiz 2021 gemäss der Methode der ökologischen Knappheit. Bern 2021
- BAFU BUNDESAMT FÜR UMWELT, Richtlinie für die Verwertung mineralischer Bauabfälle. 2006
- BKB BESCHAFFUNGSKONFERENZ DES BUNDES, Faktenblatt Berücksichtigung der Umweltauswirkungen von Transporten. Bern 2022
- KANTON ZÜRICH, BAUDIREKTION TIEFBAUAMT, Ausschreibungsunterlagen Projekt 4-Spurausbau Abschnitt Hardwald Hauptarbeiten. Zürich 2022
- KBOB / TREEZE, Online Transportrechner, https://treeze.ch/fileadmin/user_upload/calculators/KBOB_Rechner/transport.html. Abrufdatum, 07.02.2023, 2017
- Mobitool Umweltrechner, Excel Tabelle "mobitool-faktoren_v3.0", Aabgerufen 05.02.2025
- PEDRAZZINI G., Masterarbeit ETH MTEC, «Ökologische Nachhaltigkeit als Zuschlagskriterium im öffentlichen Beschaffungswesen für Infrastrukturbauten, Zürich Juli 2023
- SCHWEIZERISCHE EIDGENOSSENSCHAFT, Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030. Bern 2022
- Für Anfragen zur Liste wird an die Firma Umtec Technologie AG (Eichtalstrasse 54, CH-8634 Hombrechtikon, info@utechag.ch) oder an das kantonalen Tiefbauamt Zürich verwiesen
Impressum:
Ansprechpartner Tool Nachhaltigkeit | SBV Baumeisterverband Christian Durrer (Projektleiter) christian.durrer@baumeister.ch |
Inhaltliche Mitwirkung am vorliegenden Kriterium | CSI Consulting AG Gianni Pedrazzini gianni.pedrazzini@csiconsulting.ch |
5. Rechtliche Aspekte
Die direkte Verwendung von Transportdistanzen als Zuschlagskriterium sollte nicht zur Diskriminierung ortsfremder Anbieter verwendet werden. Dies ist im Faktenblatt des BKB «Berücksichtigung der Umweltauswirkungen von Transporten» näher erläutert. Grundsätzlich werden darin zwei zulässige Vorgehensweisen für die Verwendung als Zuschlagskriterium vorgestellt:
1) Die Bewertung der Ökobilanz des gesamten Beschaffungsgegenstands oder Teilen davon mittels standardisierter Methoden. Der Transport fliesst dabei indirekt in die Ökobilanz des Produkts ein, dabei werden anstelle der Transportdistanz objektive Aspekte wie z.B. der CO2-Austoss bewertet.
2) Die Monetarisierung externer Kosten: externe durch den Transport verursachte Kosten, welche durch die Gesellschaft und die Umwelt getragen werden, können in Form eines Geldbetrags abgeschätzt und als Kriterium verwendet werden.
Das willkürliche Selektieren eines einzelnen, im Gesamtkontext des Beschaffungsgegenstandes nebensächlichen Umwelteinflusses findet keinen Rechtsschutz.
6. Ökobilanzrechner ECO2nstruct
Innovativer Ökobilanzrechner für Unternehmen, Bauherren und Planer
Die Umweltbelastung von Bauprojekten soll nicht erst bei der Ausführung, sondern bereits bei der Planung berücksichtigt werden. Infra Suisse bietet deshalb mit ECO2nstruct dem innovativen Ökobilanzrechner für Bauprojekte – eine wegweisende Unterstützung für die Bewertung von Materialien, Maschinen und Prozessen über alle Phasen eines Bauprojekts.